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Martin Hyun im Interview zum internationalen Tag gegen Rassismus

So kämpft "Hockey is Diversity" gegen Rassismus

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Der ehemalige DEL-Spieler Martin Hyun ist Mitbegründer der Hockey is Diversity e.V. und setzt sich gegen die Diskriminierung im Alltag und im Eishockey ein.

Martin Hyun ist als Sohn südkoreanischer Eltern in Deutschland aufgewachsen, durchlief alle Juniorennationalmannschaften und war Profi in der DEL. Dabei wurde er Opfer rassistischer Anfeindungen. Mit dem Projekt "Hockey is Diversity" kämpft er gegen Rassismus und für eine Willkommenskultur.

Skysport.de: Herr Hyun, wann und wie haben Sie in Deutschland Rassismus erlebt?

Martin Hyun: Meine Eltern kamen als Gastarbeiter aus Südkorea in die Bundesrepublik. Meine Migrationsbiografie ist daher eindeutig sichtbar. Ich bin 1979 in Krefeld geboren. Aufgewachsen bin ich in einem klassischen Gastarbeiterviertel - mit vielen Migrationsgeschichten. In dieser Umgebung spielten meine südkoreanischen Wurzeln keine Rolle. Ich war schlicht ein Krefelder. Ab Anfang der Neunziger Jahre mit den rassistischen Anschlägen wie Solingen, Mölln, Hoyerswerda - war es anders. Es gab Anfeindungen, und zwar auch von Menschen, mit denen man vorher noch ganz normal gesprochen hatte. Bei einem Streethockey Spiel kam ein ganzer Mob auf mich zu und schrie "verpiss dich aus unserem Land". Das war ein traumatisches Erlebnis. Später bin ich einmal krankenhausreif verprügelt worden, weil ich ein "Schlitzauge" bin, ein anders Mal - während der Coronazeit - wollte mich jemand eine Treppe herunterschubsen. Ich habe und erlebe Rassismus in drei Welten in der ich mich bewege - im Sport, im Beruf und im Alltag.

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Skysport.de: Was haben Sie im Sport konkret erlebt?

Hyun: Im Eishockey gab es Kommentare wie "Schlitzauge", "Reisfresser" oder "spiel doch auf dem Reisfeld" von gegnerischen Spielern, von Trainern und von Eltern und zum Teil auch von Mannschaftskameraden. Als ich später, in der Saison 2004/05, mit den Krefeld Pinguinen bei den Kassel Huskies gespielt habe, hielt mich ein Ordner auf dem Weg in die Mannschaftskabine auf und fragte mich nach meiner Funktion. Ich habe geantwortet: "Ich bin der Physiotherapeut". Dann durfte ich weitergehen. Als der Mann mich später in meiner vollen Eishockey-Montur sah, hat er etwas dumm aus der Wäsche geguckt (lacht).

Ein anderes Erlebnis hatte ich in Augsburg. Beim Warm-up war ich noch als letzter Spieler meines Teams auf dem Eis und einige AEV-Fans schrien Namen asiatischer Gerichte wie "Nasi Goreng"! Das ganze Stadion hat gelacht. So etwas lässt einen nicht kalt.

Sinan Akdag, Danijel Kovacic, Martin Hyun und Peter Goldbach (v. l.) im Februar 2011.
Image: Sinan Akdag, Danijel Kovacic, Martin Hyun und Peter Goldbach (v. l.) im Februar 2011.  © DPA pa

Skysport.de: Wann haben Sie beschlossen, etwas gegen Rassismus zu tun?

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Hyun: Nach dem Ende meiner Karriere wollte ich erst einmal nichts mehr mit dem Sport zu tun haben. Fünf Jahre später habe ich dann mit meinem Freund Peter Goldbach, der auch Eishockey spielte, tschechische Wurzeln hat und der in seiner Jugend in Deutschland Mobbing erlebt hat, zusammen Hockey is Diversity gegründet.

Skysport.de: Was sind die Ziele von Hockey is Diversity?

Hyun: Wir sind ein ehrenamtlicher Verein und wollen zu einer inklusiven Willkommenskultur im Eishockey und positiven Veränderung der Denkweisen beitragen. Wir reisen quer durch Deutschland und bieten Bildungs- und Sensibilisierungsworkshops an. Im Jugend- und im Profibereich, wo wir mit der DEL, DEL2 und Nachwuchsteams kooperieren. Wir arbeiten auch international, zum Beispiel mit dem österreichischen und englischen Verband.

Skysport.de: Mit dem deutschen Verband auch?

Hyun: Bisher leider nicht. Ich habe das Gefühl, dass man sich beim DEB noch nicht ganz traut. Der DEB hat einen Integrity-Officer, aber aus meiner Sicht eher alibimäßig, weil der Weltverband es vorschreibt. Das finde ich sehr schade und ist für mich einfach nur Diversity Washing.

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Skysport.de: Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Vereinen?

Hyun: Wir haben ein anonymes Reporting-System. Die Vereine, Spieler und Spielerinnen wissen, dass es uns als Anlaufstelle für sie gibt, wenn sie rassistisch beleidigt, diskriminiert oder sexuell belästigt werden. Vielen sind diese Dinge gar nicht bewusst, weil Eishockey nicht so präsent ist in den Medien wie Fußball. Durch unser Reporting-System bekommen wir bundesweit Fälle mit, die es nicht in die Medien schaffen. Die Vereine versuchen oft, diese Fälle unter den Teppich zu kehren, nicht öffentlich zu machen und auf Zeit zu spielen. Insbesondere auch, wenn es um ihre besten Spieler im Verein geht - dann noch besonders. Aber wir sind immer da und legen den Finger in die Wunde. Und sind daher für viele ungemütlich und ein Dorn im Auge. Es reicht nicht, gegen Rassismus und Diskriminierung in den Statuten stehen zu haben. Eine inklusive Vereinskultur muss täglich gelebt werden.

Skysport.de: Wer hilft Ihnen dabei?

Hyun: Miriam Thimm zum Beispiel, sie ist die erste Schwarze Frau, die in der deutschen Nationalmannschaft gespielt hat. Denis Kyei-Nimako ist ehemaliger Schwarzer Spieler, der mittlerweile Schiedsrichter ist. Sie werden einbezogen, wenn es zu Vorfällen kommt.

Martin Hyun (r.) engagiert sich mit Hockey is Diversity gegen Rassismus.
Image: Martin Hyun (r.) engagiert sich mit Hockey is Diversity gegen Rassismus.  © Privat

Skysport.de: Was sollten die Vereine bei rassistischen Vorfällen machen?

Hyun: Fast alle höherklassigen Vereine haben Fanbeauftragte. Die müssen sensibilisiert werden, genauso wie die Schiedsrichter. Zu meiner aktiven Zeit haben die Referees bei rassistischen Vorfällen gegen mich nur mit den Schultern gezuckt nach dem Motto "damit musst du halt leben". Auch heute machen junge People of Color die gleichen Erfahrungen wie ich damals. Workshops zum Thema Rassismus und Diskriminierung müssten verpflichtend sein für alle in der Eishockeywelt, die eine Funktion ausüben von Fanbeauftragten bis Geschäftsführer bis Spieler usw., damit die Fankultur und der Sport inklusiv wird und alle willkommen geheißen werden. Wenn ein Sport - nicht nur Eishockey - wachsen möchte, muss er investieren und auf den Stand der heutigen Zeit kommen. Wir sind ein Einwanderungsland, das ist eine große Chance, neue Fans dazuzugewinnen. Wenn die Vereine das nicht verstehen, wird es eine geschlossene Gesellschaft bleiben.

Skysport.de: Wie sind Ihre Erfahrungen im Jugendbereich?

Hyun: Bei den Älteren, die wir schulen, merken wir, dass viele Vorurteile, rassistische und diskriminierende Denkmuster hausgemacht sind. Wir sind schließlich das Produkt unseres sozialen Umfeldes. Das Elternhaus, der Freundeskreis oder Social Media haben großen Einfluss darauf, wie wir denken. Mit unseren Schulungen wollen wir den Kids Denkanstöße geben. Bei den Jüngeren sehen wir, dass sie bereit sind zu lernen. Wenn jüngere Spieler uns nach unserer Schulung anschreiben, weil sie z.B. über uns in der Schule einen Vortrag halten wollen oder nach geeignetem Lesematerial fragen, finde ich das toll. Jeder kann einen Beitrag leisten. Wir können tausende Integrationsbeauftragte haben, Gesetze beschließen und Statuten haben, aber Nächstenliebe ist nicht erzwingbar. Sie muss gelebt werden.

Martin Hyun bei einer Schulung von Hockey is Diversity.
Image: Martin Hyun bei einer Schulung von Hockey is Diversity.  © Privat

Skysport.de: Sie engagieren sich auch für Spielerinnen und Trainerinnen. Wie läuft das?

Hyun: Empowerment, Inspire und Dream. Auf diesen drei Säulen sind unsere Projekte aufgebaut. Wir versuchen, auch Mädchen und Spielerinnen zu fördern, wie zum Beispiel Miriam Thimm. Damit sie ihre Coaching-Zertifikate bekommt, um ein Profiteam als Coach zu führen, und nicht andere ihr vorgezogen werden. Wir vernetzen sie (Miriam Thimm) mit der NHL Coaches Association, damit sie sie die Möglichkeit haben, von den weltbesten Eishockey-Trainern zu lernen. Wer würde sich nicht wünschen, zum Beispiel im Fußball mal ein, zwei Stunden mit Jürgen Klopp zu reden? Solche Möglichkeiten bieten wir, denn wir wollen Diversity auch hinter der Bande sehen. Nicht nur auf dem Eis, auch im Management.

Und wir ermöglichen jedes Jahr zwei Mädchen und zwei Jungs am DEL Future Camp teilzunehmen. Ich erhoffe mir für die Mädchen, dass sie die gleichen Chancen bekommen wie die Jungs, sich voll auf ihren Sport konzentrieren zu können. Die Frauen in den USA und Kanada haben hart für eine gut bezahlte Profiliga gekämpft, das würde ich mir in Deutschland auch wünschen.

Das Interview führte Thorsten Mesch

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