David Wagner spricht im exklusiven Sky Interview über seine Zukunftspläne, seinen Freund Jürgen Klopp, seine Tochter Lea und die Chancen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar.
David Wagner hat einfach mal innegehalten - die Pause-Taste gedrückt. Spannende und nervenaufreibende Trainerstationen in der Premier League bei Huddersfield, beim Schalke 04 und den Young Boys Bern. Es war an der Zeit, die eigenen Ansprüche zu überprüfen - und Spanisch zu lernen. Auf Interviews hat Wagner in dieser Zeit verzichtet - bis jetzt.
In seiner Heimat Weinheim empfing der 51-jährige Deutsch-Amerikaner Sky Reporter Sven Töllner in seinem Lieblings-Cafe zu einem Gespräch über die deutschen WM-Chancen, seinen Freund Jürgen Klopp, seine Tochter Lea und die eigenen Zukunftspläne.
David Wagner über...
... die richtige Aufstellung gegen gegen Costa Rica: "In meiner Funktion als Hobby-Bundestrainer sage ich: Müller spielt bei mir immer. Also muss ich mir eine Variante überlegen, wie ich Müller und Füllkrug aufs Eis bringe. Bei Niclas zählt die momentane Form - und die ist top. Ist er Weltklasse? Vermutlich nicht, aber in seiner derzeitigen Verfassung ist er richtig gut für uns - insbesondere gegen Costa Rica. Wir müssen gewinnen, wir brauchen Tore. Wir werden hoffentlich viel kreieren, viel Torchancen haben, viel Abschlüsse haben. Thomas Müller ist für mich taktisch ein Genie auf dem Platz, im Anlaufen, im Verteidigen, in der Kommunikation. Das ist herausragend gut und dazu torgefährlich. Deswegen müssen beide auf dem Platz stehen."
... Bundestrainer Hansi Flick und die ersten zwei Spiele der DFB-Elf bei der WM: "Wahnsinnig souverän. Super. Wie er das bis jetzt gemanagt hat, wie er auch mit den Ausschlägen in alle Richtungen umgegangen ist, das gefällt mir richtig gut. Ich wünsche ihm wirklich von Herzen nur das Beste. Dass die Truppe vom Ergebnis her so in das Turnier gestartet ist, und dann natürlich extrem viel Prügel einstecken muss... Auch wenn da meiner Meinung nach 60, 65 Minuten sehr viel in die richtige Richtung gelaufen ist, das will aber dann keiner mehr hören. Wie sie dann das Spanien-Spiel angepackt haben - das war einfach gut. Zwei gute Mannschaften, Deutschland mit den besseren Großchancen, mit dem verdienten Punkt. Und jetzt haben sie natürlich die Karten in der Hand. Zumindest ein paar davon - nicht alle. Japan muss da auch ein bisschen mitspielen, oder Spanien."
"Einen wie Klose werden wir noch lange vermissen"
... die deutschen Titel-Chancen: "Meine klare Einschätzung ist, dass wir Tor und im Mittelfeld absolute Weltklasse haben. In der Abwehr und im Angriff sind wir gut. Das reicht nicht, um Deutschland als Titel-Favorit zu nennen. Dass Sie zum Kreis gehören, ist natürlich auch aus der Tradition heraus begründet. Es kommt aber auch gar nicht so sehr auf die einzelnen Positionen an, sondern wie viel Energie diese Mannschaft auf den Platz bringt. Und das war gegen Spanien super."
... den Stürmermangel in der deutschen Nationalmannschaft und im Nachwuchs: "Normalerweise weißt du, was nachkommt, wo das Talent ist. Wie groß das Talent auch im internationalen Vergleich ist - schon in den Jugend-Nationalmannschaften. Und das war abzusehen. Die Herausforderung ist sicher bekannt und da wird sicher auch extremst mit Hochdruck dran gearbeitet, weil das eine Position ist, die wir, wenn es jetzt seit Miro Klose vor acht Jahren aufgehört hat, vermissen. Und es sieht auch so aus, als ob wir das noch eine Zeit lang vermissen werden."
... die Aussichten für England: "Mit diesem Kader, England, alles andere als Halbfinale oder auch Finale wird als nicht erfolgreiches Turnier angesehen. Und da muss ich sagen: von den individuellen Besetzungen des Kaders zu Recht! Das ist einer der Topfavoriten. Die individuelle Qualität der Spieler, auf den einzelnen Positionen, den einzelnen Mannschaftsteilen, das ist durch die Bank Weltklasse. Wenn sie es als Mannschaft schaffen, das auf den Platz zu bringen, diese Energie, dann kommen sie ganz, ganz weit - das steht für mich außer Frage. Wenn nicht, dann denke ich, dass da die individuelle Qualität nicht reichen wird, um den ganz großen Wurf zu machen."
"Brasilien ist mein Titel-Favorit"
... seinen WM-Favoriten: "Für mich ist das nach Ansicht der ersten beiden Spiele Brasilien. Da ist so viel Qualität, Freude, Energie, Zusammenspiel, die Wechsel funktionieren. Brasilien sehe ich am weitesten vorne."
... die langen Nachspielzeiten bei der WM - ähnlich wie in England: "Unabhängig von den technisch, taktischen Geschichten des Spiels ist diese Nachspielzeit, die auch medial jetzt schon rauf und runter gepredigt wurde, schon auffällig. Wobei ich sagen muss: in England ist es ähnlich. Das war eine der vielen Sachen als ich nach England gekommen bin, die mich sehr überrascht haben. Ich finde es auch gut, dadurch, dass einfach die Spielzeit erhöht wird und dadurch vielleicht ein bisschen diese Theatralik, die in vielen Ligen, nicht allen, natürlich vorherrscht, ein bisschen Einhalt geboten wird. Es muss aber auch nicht bei ganz klaren Spielständen sein."
... den Titelkampf in der Premier League: "Mit all den Schwierigkeiten, die sie (Liverpool) hatten - auch verletzungsbedingt - mit der Unruhe, die auch da war. Die zumindest jetzt mit diesem Besitzerwechsel geklärt ist, da kann man sich vorstellen, dass sich hinter den Kulissen vorher schon ein bisschen was abzeichnet. Wenn das einer lösen kann, dann ist das Kloppo mit Liverpool. Deswegen bin ich da extremst zuversichtlich. Und die anderen zwei sind sicher Arsenal, die da vorne wegmarschieren. Das ist superklasse. Da habe ich einige Spiele gesehen - das ist richtig, richtig gut. Super junges Team. Die haben Lust miteinander, die sind hungrig. Super, dass sie so lange an Arteta festgehalten haben und ihm wirklich die Chance gegeben haben, da was zu bauen. Die hatten richtig harte Zeiten, auch in den Jahren davor. Und dann ist natürlich Newcastle der Club, der jetzt unter den ersten vier steht. Natürlich wissen wir alle, wer der Besitzer ist und was sich da getan hat. Aber dass, das so schnell ineinandergreift, dass sie zumindest im Moment um die Champions League richtig mit fighten, das ist trotzdem beachtlich."
"Macht euch keine Sorgen: Kloppo strotzt vor Energie"
... die Liverpool-Krise: "Sieben Jahre als Trainer bei einem Verein zu sein - und das sehr erfolgreich, verdient den allerhöchsten Respekt. Und Kloppo hat das jetzt nicht nur in Mainz und Dortmund gemacht, sondern auch in Liverpool. Ich kann jeden beruhigen, der zweifelt, Kloppo strotzt vor Energie. Er hat richtig Lust auf diese Challenge, den Abstand auf die Champions League Plätze in der Rückrunde zu korrigieren. Und darauf ist er so was von heiß. Natürlich macht das was mit dir, wenn du als Titel-Kandidat in die Saison gehst und relativ früh merkst, dass das schwierig wird. Dann geht es darum, schnell ein realistisches neues Ziel zu formulieren. Das ist jetzt für Sie die Champions League Qualifikation. Und ich bin der festen Überzeugung, dass er alle so heiß machen wird, weil er selber so heiß ist, dass sie das in der restlichen Saison dann auch bewerkstelligen werden."
Zukunftspläne? "Super Erfahrungen im Ausland gemacht"
... die Zeit ohne Trainerjob: "Meine Frau und ich haben uns gefragt: Was wollen wir nochmal zusammen machen? Wir sind 30 Jahre zusammen, unsere Töchter sind aus dem Haus. Da kam uns in den Sinn, dass wir in England waren und dabei die Sprache nochmal so richtig gelernt haben. Jetzt wollten wir Spanisch lernen. Eine weitere Weltsprache, die auch beruflich helfen kann. Also haben wir gesagt: Komm, lass uns mal die Komfortzone verlassen, lass uns in die Schule gehen, Spanisch lernen, wirklich pauken und uns dem Ganzen annähern. Das haben wir jetzt drei Monate gemacht, sind vor zwei Wochen zurückgekommen. Es war anstrengend, denn ich bin kein Sprachtalent. Aber nach ein paar Wochen hat es angefangen Spaß zu machen. Die Sprache hilft sicher auch, wenn man Spanisch sprechende Spieler in der Mannschaft hat. Die dann einfach in den Arm zu nehmen und in der Muttersprache ein paar Sätze über die Familie zu reden - das bringt Verbindung, das baut Nähe auf."
... seine Zukunftspläne: "Ich schließe prinzipiell gar nichts aus. Ich habe super Erfahrungen im Ausland gemacht, deswegen ist das sicher auch eine Option. Der Deal mit meiner Frau war, dass ich das Telefon nicht abnehme."
... seine Tochter Lea (berichtet für die ARD aus dem deutschen WM-Camp): "Für mich ist sie ja immer noch die Kleine (lacht). Mit 28 ist immer noch wahnsinnig jung. Ich gebe zu, dass ich als Ihre Gedanken in die Richtung gereift sind, skeptisch war. Fernsehbranche okay, Moderation fand ich auch okay. Aber es gibt Kultur, es gibt Politik und es gibt alles im Sport - nicht nur Fußball. Aber wo die Liebe hinfällt und alle, die sich in dem Business sehr gut auskennen, sagen, sie ist talentiert. Stimmt wohl - sonst wäre sie sicher nicht da, wo sie in dem jungen Alter schon ist. Als Papa ist man natürlich stolz. Ich freue mich einfach für sie, dass sie was gefunden hat, woran sie wirklich richtig Spaß hat."
Das Interview führte Sven Töllner
Alle weiteren wichtigen WM-Nachrichten gibt es im Katar Update nachzulesen.
