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Real Madrid gegen Manchester City: Camavinga im Fokus

Reals Geheimwaffe: Camavinga und der spielmachende Linksverteidiger

Gegen Manchester City überzeugte Reals Eduardo Camavinga mit einem starken Auftritt.
Image: Gegen Manchester City überzeugte Reals Eduardo Camavinga mit einem starken Auftritt.  © DPA pa

Im Hinspiel der Champions League war Real Madrids Eduardo Camavinga maßgeblicher Bestandteil des starken Auftritts gegen Manchester City. Der Franzose bekleidet in Madrid eine Position, die im modernen Fußball Konjunktur hat: der spielmachende Linksverteidiger.

Wenn man an einen Spielmacher denkt, dann fallen einem Namen wie Kevin de Bruyne, Zinedine Zidane oder Diego Maradona ein. Ein klassischer Zehner. Herausragend in Passspiel, Übersicht, Spielverständnis und Kreativität, technisch hoch veranlagt. Jemand, der die Schnittstellenpässe in die Tiefe spielt und in Eins-gegen-Eins-Situationen Raumgewinn erzielt. Während diese Spieler in der Regel auch die namensgebende Zehner-Position bekleiden, also das zentral-offensive Mittelfeld, findet sich dieser Typus im modernen Fußball neuerdings vermehrt auch auf einer anderen Position wieder: der des Linksverteidigers.

Camavinga seit Jahresbeginn links hinten gesetzt

Real Madrids Eduardo Camavinga ist einer dieser Spieler. Seit der Verletzung von Ferland Mendy nimmt der 20-Jährige in Ermangelung eines etatmäßigen Linksverteidigers seit Jahresbeginn auf der linken Außenbahn der Madrilenen Platz. "Für mich kann er auf dem Platz überall spielen", adelte Real-Coach Carlo Ancelotti jüngst den Franzosen. "Wenn ich ihn als Mittelstürmer aufstelle, erfüllt Camavinga seinen Job. Wenn ich ihn als Innenverteidiger aufstelle, erfüllt er seinen Job, denn er hat etwas Besonderes. Mit seinen Eigenschaften ist er ein besonderer Spieler."

Eigentlich bekleidet Camavinga nämlich das zentrale Mittelfeld. Als er gefragt wurde, ob es ihm denn mittlerweile gefalle, als Linksverteidiger zu spielen, antwortete er salopp: "Nein, immer noch nicht." Dabei spielt er seine neue Rolle mit Bravour und bringt in seine Spielweise stets auch Elemente seiner ursprünglich angestammten Position mit ein. Auch wenn er auf dem Papier links hinten positioniert ist, gleicht Camavingas Heatmap einem Waldbrandgebiet.

Gerade im Spielaufbau der Madrilenen zieht er immer wieder in die Zentrale und wirkt aktiv daran mit. Im Zusammenspiel mit Vinicius Junior beflügelt er das Offensivspiel der Königlichen ungemein - wie nicht zuletzt Reals Führungstreffer im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester City zeigte. Ein beeindruckender Solo-Lauf Camavingas ermöglichte Vinicius' Kunstschuss zum zwischenzeitlichen 1:0.

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Außenverteidiger: früher notwendiges Übel, heute unabdingbar

Lange Zeit galt die Position des Außenverteidigers als schwächstes Glied einer Fußballmannschaft. Bis heute ist der Pass auf den Außenverteidiger für die verteidigende Mannschaft häufig das Signal, zum Pressing überzugehen. Eine Option, die der legendäre Cheftrainer des AC Mailand, Arrigo Sacchi, Ende der 80er-Jahre etablierte. Nicht nur sind die Außenverteidiger beim eigenen Spielaufbau durch Tor- und Seitenaus räumlich isoliert, es waren früher häufig auch schlicht die technisch schlechtesten Spieler einer Mannschaft, bei denen am einfachsten ein Ballverlust provoziert werden konnte. Diese Attribut-Zuschreibung gehört der Vergangenheit an - und Camavinga stellt keine Ausnahme dar.

Cancelo, Zinchenko und Guerreiro: die besten ihrer Art

Auch Reals Halbfinalgegner aus Manchester setzte mit Joao Cancelo lange Zeit auf diese Art von Spielertypus. Trotz hochkarätiger Offensivreihen war der Außenverteidiger häufig Dreh- und Angelpunkt der himmelblauen Offensivbemühungen. Kurze Antritte in die Spielfeldmitte, haargenaue Spielverlagerungen und scharfe Halbfeldflanken an den zweiten Pfosten stellten die gegnerischen Abwehrreihen regelmäßig vor Probleme. Bei den Bayern vermag es Cancelo bislang aber noch nicht mit jenen Eigenschaften zu überzeugen.

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Ein weiterer Vertreter der spielmachenden Linksverteidiger-Zunft entwickelte sich in der Guardiola-Schule Citys: Oleksandr Zinchenko. Im vergangenen Sommer wechselte der Ukrainer zu Arsenal und ist dort maßgeblicher Garant der erfolgreichen Saison der Gunners. Im eigenen Spielaufbau mehr Achter als Linksverteidiger überzeugt Zinchenko dort mit einer enormen Pressing-Resistenz und steuert regelmäßig den berühmten vorletzten Pass bei.

Ähnlich wie Camavinga spielte auch Zinchenko zu Karrierebeginn im zentralen Mittelfeld, wurde unter Guardiola aber schließlich zum Linksverteidiger umgeschult. In der ukrainischen Nationalmannschaft läuft der 26-Jährige weiterhin auf der Acht auf. Aufgrund einer Verletzung fehlt er Arsenal im Saison-Endspurt nun schmerzlich.

Guerreiro einer fürs BVB-Mittelfeld?

Borussia Dortmund, denen in dieser Spielzeit eventuell das gleiche Vizemeister-Schicksal wie den Nordlondonern winkt, wissen mit Raphael Guerreiro auch einen solchen Spieler in ihren Reihen. Der Portugiese ist nicht ohne Grund stärkster Vorlagengeber der Liga, assistierte bereits zwölf Mal zum Dortmunder Torerfolg. Phasenweise lief der 29-Jährige auch direkt im zentralen Mittelfeld auf, statt von der linken Abwehrseite aus Einfluss auf das offensive Spielgeschehen zu nehmen.

Bereits in der ersten Spielzeit von Thomas Tuchel beim BVB in der Saison 2016/17 zog der heutige Bayern-Trainer Guerreiro regelmäßig ins Mittelfeld vor. Dass auch Edin Terzic diese Option für sich wiederentdeckt hat, könnte doch noch dafür sorgen, dass der portugiesische Nationalspieler seinen im Sommer auslaufenden Vertrag beim BVB verlängert. Mit Mo Dahoud und Jude Bellingham verlassen die Borussia im Sommer aller Wahrscheinlichkeit nach gleich zwei zentrale Mittelfeldspieler.

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High-Risk, High-Reward

Ein spielmachender Linksverteidiger kann sich für Teams als enormen Zugewinn für das Offensivspiel erweisen. Sich einen solchen zu leisten, ist aber auch an eine hohe taktische Disziplin geknüpft. Wenn Camavinga, Zinchenko, Cancelo, Guerreio und Co. weit in der gegnerischen Hälfte zaubern, sind die Mitspieler umso mehr gefordert, die entstehenden Lücken in der Defensive zu schließen und eine Konterabsicherung zu garantieren.

Bei Real Madrid und Camavinga hat das im Champions-League-Hinspiel über weite Strecken herausragend funktioniert. Aber auch im Rückspiel sitzt mit Pep Guardiola ein Trainer auf der gegnerischen Trainerbank, der diese Art von Spieler vielleicht so gut kennt wie kein Zweiter.

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